The Endless Summer

The Endless Summer

Es war einmal ein Sommer

Robert August und Mike Hynson waren 1966 die Stars eines Filmes, mit dem das Surfen zum Kult avancierte. Im richtigen Leben erwischten sie später auch einige tiefe Wellentäler

Von Peter Haffner und Jan Windszus

In Huntington Beach, einer Kleinstadt an der Pazifikküste südlich von Los Angeles, dürfte es mehr Surfbretter als Einwohner geben. Hier, in „Surf City USA“, hat der Boom angefangen. Heute kann, wer möchte, sonntags einen Freiluftgottesdienst besuchen und hernach mit dem Pfarrer hinauspaddeln, um die göttlichen Wellen vor dem 24 Kilometer langen Sandstrand zu reiten.

Ein Museum dokumentiert die Geschichte der Bewegung, die mehr Lebensart als Sport ist. Erinnerungsstücke an jenen Dokumentarfilm von 1966, der aus dem schrägen Vergnügen von Einzelgängern ein Massenphänomen machte, sind zu einem Altar aufgebaut. „The Endless Summer“ ist die Geschichte der beiden Surfer Robert August und Mike Hynson, die dem Sommer nach rund um die Welt reisen auf der Suche nach der schönsten Welle, von Kalifornien bis Afrika, von Indien bis Australien, von Neuseeland bis Tahiti und Hawaii. Bruce Brown, der Regisseur, war ein Autodidakt, und so hinreißend sein Werk ist, so hat es doch etwas vom Charme des Hobbystreifens mit seinen Witzchen über Flugangst, Haie und Menschenfresser. Die Bolex H16 Reflex, Browns Originalkamera, steht in einem Schaukasten über seinem Porträtfoto, das ihn mit Robert August und einer dritten Person zeigt, die größtenteils weggeschnitten ist. Es muss Mike Hynson sein.

Dessen Namen sucht man vergeblich auf dem „Surfing Walk of Fame“, auf den zu Ehren der Heroen in den Gehsteig eingelassenen Granittafeln. Robert August, Bruce Brown – doch keine Spur von Mike Hynson.
„Was wissen Sie denn darüber?“, antwortet die reizende weißhaarige Museumsdame auf die Frage nach dem Grund, ein mildes Lächeln auf den Lippen.

Sie schienen das ideale Duo. Der schwarzhaarige, 18-jährige Robert mit seinem ironischen Grinsen und den guten Manieren und der 21-jährige freche und draufgängerische Blondschopf Mike. Den endlosen Sommer verbrachten sie Seite an Seite, unzertrennlich, wie der Film suggeriert. Sie kamen an Orte, wo nie zuvor ein Surfer gewesen war und wo sie, wie etwa im westafrikanischen Ghana, rasch Nachahmer fanden: Kinder, die mit Baubrettern lospaddelten und bald darauf standen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Die beiden Amerikaner wurden bestaunt, und sie hatten selbst zu staunen in dieser Wunderwelt, in der Zebras und Löwen frei herumliefen und Affen einem das Sandwich klauten. Beide waren sie erstklassige Surfer, selbstsicher und elegant.

Robert August ist es immer noch. Wenn er nicht in seinem Wohnort Huntington Beach surft, dann in Tamarindo in Costa Rica, wo sein Ferienhaus steht. Schlank, groß gewachsen und braun gebrannt, sieht Robert mit seinen 61 Jahren aus, wie mancher aussehen möchte, der Jahrzehnte jünger ist. „Sie sind hier, um mir Tanzstunden zu geben?“, scherzt er und führt durch seine Fabrik an der Sampson Lane, wo die mit seinem und den Namen anderer Champions signierten Surfbretter gefertigt werden. Die Firma „Robert August Surfboards“ hat ein Dutzend Angestellte und floriert. 60 bis 80 Stück werden wöchentlich produziert, darunter handgemachte Spezialausführungen, für die reiche Japaner mehr als 1000 Dollar hinblättern.

Es riecht nach Schleifstaub, nach Leim und guter Laune. Die Shaper, die Surfbretter in Form bringen, sind alle selbst Surfer und lieben ihr Handwerk. Auch Robert möchte es nicht missen. In einem kleinen Werkraum fertigt er Einzelstücke nach Kundenwünschen. „Daddys Refugium“, sagt sein Sohn Sam, der die Geschäfte der Firma führt und das Surfen von Robert gelernt hat, wie der von seinem Vater, der lokalen Legende „Blackie“ August, dem Rettungsschwimmer, Surfpionier und Partylöwen.

Robert war sechs Jahre alt, als er das erste Mal auf einem Surfbrett stand, und als er 14 war, gab es in ganz Kalifornien keinen Surfer, der ihm etwas hätte vormachen können. Wie Mike hatte Robert in Fernsehshows von Bruce Brown mitgewirkt, die den neuen Sport propagierten, und als Brown sich an den großen Dokumentarfilm wagte, war seine Wahl auf die beiden gefallen, weil sie gut waren, gut aussahen und einander bestens zu ergänzen schienen. Sie waren jung, scharf aufs Surfen, auf Strandpartys und die Bikinischönheiten, die sie anhimmelten, wo immer sie auftauchten.

„Nein, Mike ist nicht mein Kumpel“, sagt Robert August knapp. Er hat keine Ahnung, wo Mike jetzt ist und was er macht. Das letzte Mal hat er ihn vor einem Jahr gesehen, bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Da sei er am Stock gegangen und habe schlecht ausgesehen, sagt Robert und schüttelt den Kopf auf die Frage, ob sie miteinander gesprochen hätten.

Es sind keine 100 Kilometer von Robert bis zu dem Küstenort, wo Mike Hynson lebt. Etwa gleich groß wie das Surfer- und Touristenparadies Huntington Beach, ist Encinitas eine Kleinstadt für Leute, die in der benachbarten Metropole San Diego arbeiten.

Hynsons Haus steht nahe der Autobahn. Ein Garten und eine Garage, in deren Einfahrt ein mit einer Plane verhülltes Auto steht, das Jahre nicht benutzt scheint. Drei Chihuahuas, so klein wie laut, melden den Besucher. „Maria, Pepe und José“, stellt Mike sie vor und rät, mit José, dem Ältesten, Freundschaft zu schließen, um mit keinem Ärger zu bekommen.

Mike ist so schlank geblieben wie Robert, doch er geht etwas steif. Das lange Haar unter der Baseballmütze hat die Farbe von angelaufenem Silber wie der Schmuck, den er um den Hals trägt. Im Gesicht findet sich noch eine Spur jener Verletzlichkeit, die ihn unterschied von dem drei Jahre jüngeren Robert, der sich in seiner Haut so wohl zu fühlen schien wie in einem maßgeschneiderten Anzug.

Er schreibe an einem Buch, sei sozusagen fertig, „transzendente Memoiren eines Surfrebellen“, sagt Mike mit trockenem Lachen, während wir uns ins Wohnzimmer setzen, wo Räucherstäbchen schweren Duft verbreiten. Buddha-Statuetten thronen auf Bambusmöbeln, doch die fernöstliche Atmosphäre ist eher Zufall, wie Mikes Frau Carol erklärt, sie hat alles günstig gekauft. Mike verschwindet und bleibt lange weg. „Das Erinnern ist manchmal besser als das Leben“, hatte er noch bemerkt, wie er vom Buch berichtete.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 62.

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